Die Achtziger Jahre und der Umbau der Kirche

Zu Anfang der achtziger Jahre wird immer klarer, dass die Kirche, sollte sie weiterhin als funktionierende Gottesdienststätte erhalten bleiben, grundlegend erneuert werden muss. Das betrifft vor allem die alte Dampfheizungsanlage. Seit Anfang dieses Jahrzehnts wurde die Kirche in den kältesten Wintermonaten außer an den Feiertagen nicht mehr benutzt.

Im Hinblick auf die bevorstehende Renovierung beschließt der Gemeindekirchenrat am 5. 5. 1982 die Neugründung des kirchlichen Bauvereins. Am 23. 11. 1983 findet die erste Mitgliederversammlung statt. Bei der Gründung hat der Bauverein 50 Mitglieder. 1989 hat dieser Verein mehr als 300.000 DM zu den Renovierungsarbeiten in der Gemeinde beigesteuert, wobei ungefähr 80% für die Renovierung der Kirche und 20% für Renovierungsarbeiten im Gemeindehaus aufgebraucht werden.

Die Zahl der Gemeindeglieder ist wie überall in Berlin weiter zurückgegangen. Im Jahre 1985 hat die Hochmeisterkirchengemeinde noch 10.384 Gemeindeglieder. Die Zahl der Austritte pendelt sich seit Ende der 70er Jahre auf etwas mehr als 100 pro Jahr ein. Der Gottesdienstbesuch ist ebenfalls rückläufig. Die durchschnittliche Besucherzahl beträgt 124 im Jahre 1982 und 110 im Jahre 1985.

1984 übernimmt Pfarrer Joachim Christoph die Pfarrstelle des vorzeitig in den Ruhestand getretenen Pfarrers Weinhold. Pfarrer Lutz Langner, der bereits seit mehr als zwei Jahren Hilfsprediger an der Hochmeisterkirche war, erhält 1985 die Pfarrstelle des in den Ruhestand getretenen Pfarrer Borchers. Das Thema des Gemeindeaufbaus wird von Pfarrer Christoph und Pfarrer Langner auf neue Weise angesprochen. Neue Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter werden gewonnen und in allen Bereichen der Gemeindearbeit neue Ansätze versucht.

 

Der neue Zedernholzaltar mit der Bibel von 1892. Kaiserin Auguste Victoria schenkte sie der Gemeinde anlässlich der Kirchweihe 1910.

Das große Thema dieser Zeit aber war: Was fangen wir mit unserer Kirche an? Bereits 1984 richtet der Gemeindekirchenrat seine Bauwünsche bezüglich der Heizungsanlage und der Innenraumerneuerung an den Kirchenkreis Wilmersdorf. Diese Bauwünsche werden jedoch noch nicht berücksichtigt. So kommt es zu vielerlei Diskussionen, die sich auch ganz ernsthaft mit dem Gedanken beschäftigen, angesichts der rückläufigen Zahl von Gottesdienstbesuchern die Kirche ganz zu schließen und die Gottesdienste nur noch im Hochmeistersaal abzuhalten. 1986 kommt der Gemeindekirchenrat nach reiflichen Überlegungen doch zu dem Entschluss, dass die Kirche gerettet werden soll.

Am 4. 11. 1986 wird der erste Bauabschnitt, der Einbau einer an das Fernwärmenetz der BEWAG angeschlossenen Fußbodenheizung, in Auftrag gegeben. Dieser Umbau ist absolut unausweichlich, da sich die alte Dampfheizung im Betrieb wie ein Maschinengewehrfeuer anhört. Baubeginn ist der 2. Januar 1987. Alle Gottesdienste vom 4. Januar 1987 bis zum 7. Februar 1988 müssen nun im Hochmeistersaal stattfinden.

Bei Baubeginn liegt noch kein fertiges Konzept des Gesamtumbaus vor. Geld ist allein für die neue Heizung vorhanden. Der Gemeindekirchenrat und der ausführende Architekt Saalbach sind sich jedoch schon zu Beginn der Planungen darüber einig, mit dieser Umgestaltung das Konzept einer offenen Kirche zu verfolgen, das heißt einer Kirche, die über die sonntäglichen Gottesdienste hinaus einer Vielzahl von Veranstaltungen Raum bietet.

Für den zweiten Bauabschnitt, die Gestaltung des Innenraums, ist zunächst folgendes geplant: Ausführung der notwendigsten Putz- und Malerarbeiten; Sanierung der Elektroinstallation; Austausch der Kirchenbänke gegen eine variable Bestuhlung; der Umbau des Altartisches in die Mitte der Altarapsis, so dass sich die Gemeinde zum Abendmahl um den Tisch versammeln kann und der Umbau der Sakristei zu einem Andachts- und Meditationsraum. Schritt für Schritt entwickelt sich bei zunehmendem Spendenaufkommen der Gemeinde eine Konzeption, die auch die ursprünglich erst für fernere Zukunft geplanten Maßnahmen ermöglicht.

Blick über den Altar in den neugestalteten Innenraum

Der große Schock kommt, als sich kurz nach Baubeginn herausstellt, dass das ganze Deckengewölbe wegen der Asbestbeschichtung saniert werden muss. Dies wirft die anfängliche Kostenplanung über den Haufen. Doch auch dieses Problem kann letztlich gelöst werden. Aus einem Sonderfonds für Katastrophenfälle stellt das Konsistorium die notwendigen Finanzmittel zur Verfügung und die erste große West-Berliner Asbestentsorgung wird in der Hochmeisterkirche durchgeführt. Der Gemeindekirchenrat beauftragt den Stuckateur und Bildhauer Günter Anlauf mit der Neugestaltung des Deckengewölbes. Anlauf bezeichnet die formale Gestaltung des Deckengewölbes als „versaut“. Durch Einlotung der Profile muss die Grundlinienführung erst wieder hergestellt werden. Anlauf versieht das Deckengewölbe mit sechs länglichen Stuckteilen, die zum ersten Mal seit der Umgestaltung von 1934 den sechseckigen Grundriss des Kirchenschiffs wieder zur Geltung bringen.

 Passend zum neuen Deckengewölbe wird auch der neue Bodenbelag im Kirchenschiff gestaltet. Die Fußbodenheizung wird eingebaut und mit hellen Keramikplatten überzogen; genau in der Mitte des sechseckigen Grundrisses wird ein Kreuz eingelegt. Ausgehend von diesem Zentrum teilen sich die Keramikfliesen in sechs Teile. Die Trennlinien dieser Teile folgen wie der Stuck des Deckengewölbes dem Grundriss der Kirche.

In der Altarapsis wird der Boden mit hellem Naturstein gestaltet. Der alte Steinaltar, der ursprünglich nach vorn gerückt werden sollte, wird ganz entfernt. An seine Stelle tritt ein leicht wirkender Altar aus Zedernholz, der für Veranstaltungen auch beiseite gerückt werden kann.

Wie geplant, wird aus der ehemaligen Sakristei ein schöner Raum für Meditation, Andacht und Predigtnachgespräch. Dieser Raum ist nur durch einen Vorhang von der Altarapsis getrennt.

Die Säulen unter der Orgelempore wurden bei der Nachkriegsrenovierung einfach zugegipst. Ihre ursprüngliche Form wird wieder freigelegt. Die Wände werden weiß gestrichen.

Am Sonntag, den 14. Februar 1988, findet der Eröffnungsgottesdienst in der überfüllten Hochmeisterkirche statt. Die Predigt hält Pfarrer Christoph, der an dieser Stelle noch einmal den Beschluss des GKR erklärt, die Kirche nicht zu schließen.

Anschließend feiert man die Wiedereröffnung: eine russische Folkloregruppe sorgt tagsüber für die musikalische Unterhaltung, und am Abend improvisiert der Maler des Altarbildes, Dominique Rebourgeon, auf der Kirchenorgel.

Aus der grau und düster wirkenden Kirche ist ein heller und einladender Raum geworden, der Möglichkeiten für die verschiedensten Arten von Veranstaltungen bietet. Sicherlich ein außergewöhnliches Beispiel moderner Kirchenrenovierung - auch über den Berliner Raum hinaus.

 

Fortsetzung: Die Neunziger Jahre