Die Siebziger Jahre

Altarraum in den 70er Jahren

Schon seit 1929, also seit dem Bestehen des Gemeindehauses in der Paulsborner Straße, hat die Hochmeisterkirchengemeinde eine Kindertagesstätte. Seit ihrer Gründung werden drei Gruppen mit je 15 Kindern betreut.

1971 wird zusätzlich ein Mini-Club eingerichtet, der die vormittägliche Betreuung von Kindern nicht-berufstätiger Mütter zur Aufgabe hat. Der Mini-Club beginnt in den heutigen Jugendräumen mit zwei Gruppen von je acht Kindern. 1984 kann der Mini-Club seine heutigen Räumlichkeiten beziehen - die frühere Wohnung des Hausmeisters. Damit können die Gruppen auf jeweils 15 Kinder vergrößert werden.

Im Jahre 1972 wird der Innenraum der Kirche frisch gestrichen und auf das Deckengewölbe eine etwa vier cm dicke Akustikbeschichtung aufgetragen, um den Nachhall zu dämpfen. Unglücklicherweise wird als Dämmmaterial Spritzasbest verwendet. Wegen der zwischenzeitlich bekannt gewordenen Gesundheitsgefährdung muss diese Asbestbeschichtung 1987 wieder mühsam und kostenaufwendig entfernt werden. Über die Renovierung von 1972 berichtet Pfarrer Weinhold im Gemeindeblatt:

Blick auf die linke Empore

Mit schweren Maschinen wurde Spritzasbest gegen die einzelnen Kuppelfelder gespritzt. Die Kirche war total verstaubt und vernebelt. Die Arbeiter konnten nur mit Maske arbeiten, weil das bloße Einatmen der Asbestsubstanz die Lunge stark schädigt. Beim Herunterlassen der Maschinen, die oben auf dem Gerüst direkt unterhalb der Kuppel gelagert waren, gab es ein Unglück, das Gott sei Lob und Dank kein Menschenleben gefordert hat. Die drei Zentner schwere Maschine wurde von der Bremse der Seilwinde nicht gehalten und sauste mit voller Wucht zu Boden. Zwei Bänke wurden dabei zertrümmert.“ 33

1975 kommt es zu einem weiteren Zwischenfall. An einem Sonntagvormittag fällt ein großes Stück Rost vom Zifferblatt der Turmuhr ab. Ein Fachmann stellt fest: das Zifferblatt ist nicht nur durch die Witterungseinflüsse von 65 Jahren, sondern auch durch Kriegseinwirkungen völlig zerstört worden. Auch Zeiger und Ziffern sind stark überholungsbedürftig. Die Reparatur der Turmuhr kostet 21.000 DM.

Wie in anderen Berliner Gemeinden sinkt auch in der Hochmeisterkirchengemeinde die Zahl  der Gemeindeglieder in den siebziger Jahren sehr stark. Die Gründe sind die stark angestiegene Zahl der Kirchenaustritte und die überalterte Struktur der Gemeinde. Hat die Gemeinde 1969 noch 16.300 Gemeindeglieder, sind es 1975 nur noch 13.375 und 1979 noch 11.976. Relativ stabil bleibt dagegen die durchschnittliche Zahl der Gottesdienstbesucher. Sie schwankt im Jahresschnitt zwischen 150 und 200.

Das Amtsverständnis der damaligen Pfarrer richtet sich vor allem auf die Betreuung des eigenen Pfarrbezirks. Einem Gemeindeaufbau über die Grenzen dieser Pfarrbezirke hinaus ist diese Haltung nicht förderlich. Anlässlich des 65jährigen Bestehens der Hochmeisterkirche 1975 verfassen die drei Pfarrer - Borchers, Jensch, Weinhold - eine Selbstdarstellung, die im Berliner Sonntagsblatt vom 7. 9. 1975 zu lesen war:

Blick auf die rechte Seitennische

„Wir drei tun hier in befriedigend brüderlicher Einmütigkeit unseren Dienst - seit 1946, seit 1952 und seit 1959. Hochmeister ist eine ganz normale Gemeinde in typischer Citylage. Unser Kirchenvolk könnte man als kritisch-konservativ bezeichnen. Obwohl wir einen Anteil von 22 bis 23 Prozent Rentnern unter unseren Gemeindegliedern haben, ist das Durchschnittsalter in unserem rührigen GKR 40 bis 50 Jahre. Zur Kontinuität, in der die gemeindliche Arbeit vor sich geht, kommt, dass unsere Aktivitäten bewusst in aller Stille geleistet werden - unter anderem Besuche in der Gemeinde, Frauenhilfe, Aussprachekreise, Mütterkreise, ehrenamtliche Hilfeleistungen im Rahmen des Diakonischen Werkes für das Rehabilitationszentrum Eibenhof im Grunewald sowie - früher wohl stärker als heute - in ‚unserem‘ Martin-Luther­-Krankenhaus. In einem. jedoch heben wir uns gern heraus: die Gemeinde leistet mit die höchsten Kollekten im Kirchenkreis.“ 34

1978 geht Pfarrer Jensch in den Ruhestand. An seine Stelle tritt Pfarrer Martin Reuer. Pfarrer Reuer führt ohne größere Ankündigung ein, dass das Abendmahl im Gottesdienst gefeiert wird. Nach heftigen Diskussionen in der Gemeinde beschließt der Gemeindekirchenrat, jeden Monat zwei Abendmahlsgottesdienste abzuhalten.

36    Rund um die Hochmeisterkirche, Mai 1972.
37.    Berliner Sonntagsblatt vom 7. September 1975.

 

Fortsetzung: Die Achtziger Jahre und der Umbau der Kirche